Artenschutz mit Klettertechnik
Möhrendorf. Mit einem satten Plumps landet der dicke Ast auf dem Feldboden. Baumpfleger Norbert Mehl schaut kurz von der Baumkrone aus hinterher, bevor er die Motorsäge am nächsten Ast ansetzt. 20 historische Kopfeichen soll er in Möhrendorf in der Nähe des Sportplatzes stutzen. Rund 130 solcher knorrigen Bäume stehen dort insgesamt. Ihre Äste ragen wie lange Tentakel in den blauen Himmel. Bei Sturm wird es gefährlich. „Werden sie nicht geschnitten, können die Bäume durch die Sturmwinde einfach auseinanderbrechen“, erklärt Norbert Mehl. Daher sei es jetzt höchste Zeit für einen Kronenschnitt, um die Bäume gesund zu erhalten. Wie das geht, zeigt Norbert Mehl Landrat Alexander Tritthart, Karin Klein-Schmidt vom Landschaftspflegeverband Mittelfranken, Biologe Johannes Marabini von der Unteren Naturschutzbehörde und dem Möhrendorfer Bürgermeister Thomas Fischer. Sie sehen zu, wie er kleinere Äste mit der Handsäge absäbelt, für dickere nimmt Norbert Mehl die Motorsäge. Dafür hat der „European Tree Worker“ den so genannten „Seilklettertechnik-B-(SKT-B)-Kurs“ absolviert. 300 KIetterstunden und fünf Jahre Arbeit in einem Fachbetrieb musste er dafür nachweisen. Einmal gemacht, gilt das Zertifikat, nur die persönliche Schutzausrüstung, bestehend aus Klettergurt, Aufstiegs- und Kletterseil, Gurtsicherung sowie einem Stahlseil, wird jährlich geprüft. Zur Absicherung hat Baumpfleger Mehl seinen „Bodenmann“ Jorge Fernandes dabei. Fernandes sichert ihn ab, kümmert sich um den Abtransport und das Häckseln der Äste.
500 Euro pro Baum
So häufig müssen die Kopfeichen nicht gestutzt werden. „Alle fünf bis zehn Jahre reicht“, sind sich Johannes Marabini von der Unteren Naturschutzbehörde und Karin Klein-Schmidt vom Landschaftspflegeverband Mittelfranken einig. Der Baumschnitt ist Teil des 2018 ins Leben gerufenen Projektes „Sanierung der Kopfeichen“ der Unteren Naturschutzbehörde. Es wird über Ersatzgelder der Unteren Naturschutzbehörde, die der Bayerische Naturschutzfonds verwaltet, finanziert. Im Landkreis Erlangen-Höchstadt stehen Kopfeichen nur in Möhrendorf und Baiersdorf. Die in Möhrendorf sind 350 Jahre alt, schätzt der Baumpfleger. Pro Baum kostet der Schnitt etwa 500 Euro. Sie werden vollständig übernommen. „Kopfeichen sind geprägt von Mulmhöhlen und Totholz, ein Schlaraffenland für die Larven holzbewohnender Insekten wie dem Eremiten oder dem Hirschkäfer. Die Höhlen bieten auch Unterschlupf für Fledermäuse und Nistmöglichkeiten für Vögel“, erklärt Biologe Johannes Marabini.
Bisher noch alle Bäume Neutriebe gebildet
Am besten treiben die Eichen wieder aus, wenn sie Ende März geschnitten werden. „Laut Paragraf 39 des Bundesnaturschutzgesetzes ist diese Maßnahme zu diesem Zeitpunkt zur Gesunderhaltung der Bäume zulässig“, sagt Biologe Marabini. „Man stutzt diese Bäume auf drei Meter und lässt möglichst viel Frischholz übrig. So sollten die Neutriebe nicht erfrieren und die schlafenden Augen werden aktiviert“, erklärt Baumpfleger Mehl und wischt sich über die verschwitzte Stirn. Seit 13 Jahren macht er seinen Job. „Bislang gibt es bei mir keine Ausfallquote, es haben sich immer wieder neue Triebe gebildet“, sagt Norbert Mehl stolz. Von größeren Verletzungen ist er bisher verschont geblieben. „Ich habe mich nur einmal leicht am Arm verletzt“ lacht er und klopft schnell auf Holz. Dann schwingt er wieder die Motorsäge. 15 Minuten braucht er, bis er alle Äste der Kopfeiche gestutzt hat.
„Das Kopfeichen-Projekt ist wirklich ein einmaliges Artenschutz-Projekt. Wir machen ja schon viel, wollen aber künftig noch stärker darauf hinweisen, was der Landkreis in puncto Artenschutz tut“, kündigte Landrat Alexander Tritthart an. „Früher wurde das Holz der Kopfeichen dazu benutzt, um Nägel für die berühmten Wasserschöpfräder in Möhrendorf herzustellen. Diese Schöpfräder sind heute noch Teil des Landkreiswappens“, betont Tritthart. Später wurde das Holz zum Gerben gebraucht. Heute jedoch nicht mehr, daher müssen die Bäume in regelmäßigen Abständen gestutzt werden. Johannes Marabini ist mit dem Verlauf des Projektes zufrieden, wirft jedoch auf dem Rückweg einen kritischen Blick auf die Kopfeichen, die vor ein paar Jahren geschnitten wurden: „Die hätten einen Schnitt auch mal wieder nötig“, kommentiert er. Die Arbeit geht in Möhrendorf nicht aus – weder für die Untere Naturschutzbehörde, den Landschaftspflegeverband Mittelfranken und auch nicht für Norbert Mehl. Nächstes Jahr ist er wieder zur Stelle, wenn die abgeschnittenen Äste geräuschvoll auf dem Feldboden landen.