Tennenloher Forst
Mit 936 Hektar ist der "Tennenloher Forst" das bisher größte mittelfränkische Naturschutzgebiet. Als eines der letzten großflächigen Sandökosysteme Süddeutschlands ist es ein Gebiet von ökologisch landesweiter Bedeutung. Durch die Beweidung mit Przewalski-Urwildpferden und der seltenen Schweizer Ziegenrasse, den Pfauenziegen, wird die steppenartige Landschaft erhalten.
Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Sebalder Reichswaldes nördlich von Nürnberg als Schieß- und Exerzierplatz militärisch genutzt. 1935 übernahm die Wehrmacht 440 Hektar Waldfläche als Standortübungsplatz. 195 Hektar davon wurden gerodet und zu Schießbahnen für die Artillerie. Nach dem 2. Weltkrieg wurde der gesamte Übungsplatz von den US-Streitkräften beansprucht und bis zur Wiedervereinigung genutzt.
Der Tennenloher Forst zählt zu den größten Sandbiotopkomplexen Bayerns. Die großen, waldfreien, ehemaligen Schießbahnen der US-Amerikaner besitzen dabei die höchste ökologische Wertigkeit. Silbergrasfluren, Heiden oder Borstgrasrasen sind Biotope, die mindestens genauso gefährdet sind wie Moore oder Streuwiesen. Allein im Naturschutzgebiet Tennenlohe wurden 1600 Tier- und Pflanzenarten festgestellt. Über 300 davon stehen auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Aber auch hier sind die Biotope ständige bedroht - von Verbuschung und Vergrasung der wertvollen Freiflächen durch Gehölze und Reitgras.
Mit dem Abzug der Amerikaner verschwanden auch die Panzer und das schwere Gerät, das dafür gesorgt hatte, dass diese Sandmagerrasen und Heideflächen offen blieben. Aufwendige und teure, zum Teil maschinelle Pflegearbeiten waren in den letzten Jahren notwendig, um die Qualität der Lebensräume zu erhalten. Die Idee, dass in diesem Gebiet nun Urwildpferde grasen, erinnert an die Vorzeit, in der noch Wisent, Elch und Biber anstelle des Menschen die Umwelt gestaltet haben.
Inmitten des Sebalder Reichswaldes wird das Naturschutzgebiet geologisch vor allem durch Formationen von Burgsandstein und weitläufigen, zwischeneiszeitlichen Flugsanddünen bestimmt. Entsprechend trocken und wüstenhaft erscheinen diese Lebensräume. Hinzu kommt, dass die Böden extrem nährstoffarm sind und nur den Überlebenskünstlern unter den Pflanzen- und Tierarten annehmbare Bedingungen bieten.
Borstgras, Sandglöckchen, Silbergras, Zwergflachs und Natternzunge sind typische Pflanzen der Sandmagerrasen und Silbergrasfluren, die weite Teile der Freiflächen (ehemalige Schießbahnen) überziehen. Ausgedehnte Heideflächen stocken auf den dünnen Böden über Sandsteinhügeln und in den weitläufigen Kiefernforsten. Dies sind die Lebensräume und Brutstätten der Heidelerche und des Ziegenmelkers, zweier sehr seltener Vogelarten.
Südlich des Pferdegeheges finden sich immer wieder wechselfeuchte Bereiche im Wald, die moorähnliche Strukturen aufweisen. Kurz nach Abzweigung des Wolfsfeldener Weges in den Reuthlesweg stößt man auf den größten Moorkomplex des Gebietes, das „Gründlacher Moor“. Flutende Torfmoose, Mooraugen und schwarzbraunes Wasser sind Lebensraum zahlreicher seltener, vom Aussterben bedrohter Tier- und Pflanzenarten. Wegen der Nährstoffarmut wachsen dort fleischfressende Pflanzen, wie der Wasserschlauch (Utricularia australis) oder der Rundblättrige Sonnentau (Drosera rotundifolia).
Seit 2003 wurden insgesamt fast 90 Hektar Freifläche der ehemaligen Schießbahn „Range 6“ für die Beweidung mit Przewalski-Urwildpferden eingezäunt. Ziel ist es, durch diese Beweidung die steppenartige Landschaft offen zu halten. Przewalskipferde sind die letzten noch lebenden, echten Urwildpferde auf der Erde. Vor der letzten Eiszeit besiedelten sie ganz Mitteleuropa und dienten den Frühmenschen als Nahrung. Etliche Höhlenmalereien zeugen von der Bedeutung dieser Tiere.
Geschichtliches
Der Name des Pferdes geht auf den russischen Naturforscher Oberst Nicolai Przewalski zurück, der 1878 Fell und Schädel eines diese Wildpferde aus der Mongolei mitbrachte. Er machte die Wissenschaft auf das Tier aufmerksam. Entdeckt wurde die Art bereits 1427 von Hans Schiltberger. Um die Jahrhundertwende wurden die ersten Wildpferde gefangen und in Zoos gebracht. Sie waren die Vorfahren der bis heute nachgezüchteten Tiere. Anfang der 1970er Jahre galt das Urwildpferd in der Natur als ausgestorben. Der weltweite Bestand an Przewalskipferden in Zoos wird auf ca. 2000 Tiere geschätzt.
Sozialverhalten
Stuten leben in Haremsgruppen mit einem Leithengst, der seinen Harem bewacht. Junghengste und junge Stuten werden nach ca. 2 - 3 Jahren aus der Gruppe vertrieben, bzw. verlassen diese von selbst und bilden eigene Gruppen. In den Hengstgruppen gibt es, wie in den Stutengruppen, eine Rangordnung. Ein Leithengst bewacht die Gruppe. In zum Teil heftigen Rangkämpfen wird diese Ordnung festgelegt. Aber auch gegenseitiges „Bekauen“ als Zeichen der Zuneigung gehören zum Sozialverhalten.
Steckbrief des Przewalskipferdes
- Gattung: Equus (Pferde, Zebras, Esel)
- Art: Equus przewalski (Przewalskipferd)
- Stockmaß bis 140 cm, bei 220 cm Körperlänge
- Gewicht: bis 300 kg
- Nahrung: Gras, Zwergsträucher
- Verbreitung: innere Mongolei, Altaigebirge
- Kennzeichen: Fell hellbeige bis rotbraun, Stehmähne, Zebrazeichnung an den Beinen, Mehlschnauze, Aalstrich am Rücken
- Alter: ca. 30 Jahre
Przewalskipferde im Tennenloher Forst
Im Naturschutzgebiet „Tennenloher Forst“ hat der Landschaftspflegeverband Mittelfranken 2003 ein Projekt ins Leben gerufen, das die dauerhafte Freihaltung der Offenflächen gewährleisten soll:
Die Beweidung der ehemaligen Schießbahn „Range 6“ mit Przewalski-Urwildpferden. Über 50 Hektar wurden ursprünglich östlich des Kugelfangwalls eingezäunt. 2010 kam eine weitere Fläche von 35 Hektar westlich des Kugelfangwalls dazu. Der Bau des neuen Zaunes wurde auf Anregung der Unteren Naturschutzbehörde als Ausgleichsmaßnahme für den Bau der ICE-Trasse Nürnberg-Ebensfeld durchgeführt. Die beiden Gehegeteile sind miteinander verbunden und können bei Bedarf auch getrennt werden.
Seit 2003 grast eine unterschiedliche Anzahl an Przewalski-Hengsten von verschiedenen Zoologischen Gärten auf der Fläche.
Für Fragen zum Projekt können Sie sich gern an Verena Fröhlich, Gebietsbetreuerin beim Landschaftspflegeverband, Telefon 09131 / 6146345, wenden. Weitere Informationen finden Sie unter www.wildpferde-tennenlohe.de.
Um den immer stärker werdenden Gehölzaufwuchs, insbesondere die Spätblühende Traubenkirsche (Prunus serotina), in den Griff zu bekommen, beweidet eine seltene Schweizer Ziegenrasse, die Pfauenziegen, zusätzlich zu den Przewalski-Urwildpferden das Gebiet.
Steckbrief Pfauenziegen
Pfauenziegen waren früher im schweizerischen Kanton Graubünden heimisch und gehören heute zu den gefährdeten Ziegenrassen.
Die Rasse hieß ursprünglich Pfavenziegen. Der Name leitet sich vom rätoromanischen Begriff „Pfaven“ ab, was so viel wie „gefleckt“ bedeutet. Er bezieht sich auf die schwarz-weiße Zeichnung am Kopf. Der Name „Pfauenziegen“ entstand schließlich durch einen Schreibfehler.
- Gewicht: 70 - 80 kg
- Widerristhöhe: 80 cm
- wegen ihrer Robustheit und vielseitigen Ernährung heute überwiegend in der Landschaftspflege eingesetzt
- Böcke haben kräftige Hörner, wodurch sie sehr wehrhaft sind
Das Fressverhalten der Ziegen wurde von Anfang an dokumentiert, um favorisierte Pflanzen zu erkennen. Neben Kiefernzweigen und –nadeln fressen sie ausnahmslos mit Vorliebe das Laub der Späten Traubenkirsche. Auch die Rinde verschiedener Laubbäume und des Besenginsters verschonen die Tere nicht. Durch das Entrinden sterben die Pflanzen ab. Ein wichtiger Faktor ist, dass die Ziegen das Laub der Sträucher abweiden und nicht die Zweige abbeißen. Das verhindert, dass sich Wurzeltriebe und Stockausschläge ausbilden.
Beweidung
Die Form der Beweidung wechselt derzeit über die Jahreszeiten hinweg. Im Frühjahr, wenn die Sträucher ihre ersten Blätter treiben, werden die Ziegen auf einer mit vielen Traubenkirschen bestandenen Fläche gepfercht. Bis zum Sommer sind dann Sträucher, Gräser und junge Bäume intensiv befressen. Je nach vorhandenem Futterangebot wird entschieden, wann der Pferch abgebaut wird und den Ziegen die gesamte Weidefläche der Przewalski-Pferde zur Verfügung steht.
Projektstart
Die erste Herde bestand 2012 aus 2 Böcken und 4 Ziegen-Kastraten. Im Frühjahr 2013 wurde dann der Ankauf weiterer 15 weiblicher Ziegen durch den Bayerischen Naturschutzfonds über Ersatzgelder des Landkreises Erlangen-Höchstadt finanziert. Vier junge Bockzicklein kamen noch zur Herde, die den Grundstock einer neuen, größeren Herde bilden.
Die Betreuung der Tiere haben Jens-Uwe Friedberger und Klaus Altenbuchner als Eigentümer der Ziegen (www.Ziegen-ERH.de) übernommen.
Der Bundesforst koordiniert notwendige Maßnahmen des Projektträgers mit der Flächeneigentümerin, der Deutschen Bundesstiftung Umwelt.
Ausblicke
Im östlichen Gehegeteil befinden sich aktuell die größten Bestände der Spätblühenden Traubenkirsche. Um eine Verbreitung durch Samen zu unterbinden, werden alle blühenden Traubenkirschen umgesägt. Die Stellen mit den größten Vorkommen innerhalb des Pferdegeheges werden so lange nochmals in den Pferch integriert, bis erkennbar ist, dass sich die Pflanzen reduziert haben. Sind die Bestände deutlich dezimiert, wird aufs Pferchen verzichtet und die Ziegen können sich im ganzen Gehege frei bewegen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Herdenstruktur künftig entwickeln wird. Eine Rangordnung, sowohl bei den Böcken als auch bei den Ziegen, gibt es schon jetzt.
Der Ziegenbestand gilt als CAE (Caprine Arthritis-Enzephalitis-Virus) unverdächtig.
Weil es sich bei dem Naturschutzgebiet um einen ehemaligen Schießplatz handelt, in dem auch Sprengmunition verschossen wurde, besteht Lebensgefahr beim Verlassen der geschotterten Wege! Bitte bleiben Sie deshalb auf den befestigten Wegen.
Das Wandern entlang des Pferdegatters ist gefahrlos möglich, da diese Bereiche entmunitioniert wurden. An drei Stellen am Zaun (nordwestliche Ecke, nordöstliche Ecke und nahe des Überstiegs) befinden sich Übersichtstafeln, die über die Wegeführung informieren. Mithilfe des Überstiegs am „Kugelfangwall“ in der Mitte der Schießbahn kann man das Gehege überqueren. An vielen Stellen des Zaunes sind Informationstafeln zu interessanten Themen über das Gebiet angebracht.
Das Radfahren auf den geschotterten, nicht-öffentlichen Wegen im Naturschutzgebiet ist möglich. Nicht zulässig ist das Radfahren auf den unbefestigten Pfaden entlang des Pferdegatters und im Gebiet.
Im Walderlebniszentrum Tennenlohe erleben Sie Natur und Umwelt hautnah. Themenhäuser, ein forsthistorischer Lehrpfad und ein Naturerlebnispfad zeigen Groß und Klein alle Facetten der Natur und bringen Ihnen diese auf ungewöhnliche und spielerische Art und Weise näher.
Geheimnisse, Werkzeuge und Fuchs-Weitsprung
Das Peter Stromeir Haus erzählt Ihnen die wechselvolle Geschichte der Nürnberger Reichswälder. Das Waldlabor weiht Sie in die Geheimnisse des Waldklimas ein und im Haus der Tiere sind Sie den heimischen Wildtiere ganz nah. Im Diorama und im Haus Biologie des Waldes erfahren Sie mehr über Pflanzen und Tiere der Reichswälder. Der Forsthistorische Lehrpfad zeigt Ihnen, welche Werkzeuge früher für die Waldnutzung verwendet wurden und auf dem Naturerlebnispfad erleben Sie den Wald buchstäblich hautnah. Fühlen Sie beispielsweise unterschiedliche Böden auf dem Barfußpfad oder versuchen Sie sich am Tierweitsprung. Schaffen Sie es, so weit zu springen wie ein Fuchs?
Führungen, Kindergeburtstag und Waldweihnacht
Das Walderlebniszentrum bietet Führungen zum Thema Wald, Waldökologie, Waldnutzung und Waldgeschichte für Kinder ab dem Vorschulalter sowie für Erwachsene. Daneben werden Multiplikatorenschulungen zum Themenkomplex Wald und Waldpädagogik für LehrerInnen und ErzieherInnen angeboten. Unter dem Motto "Spiel und Spaß im Wald" können Sie auch Kindergeburtstage im Walderlebniszentrum Tennenlohe feiern.
Der Eintritt ins Waldmuseum ist frei. Ein Veranstaltungskalender gibt einen Überblick über Sonderveranstaltungen vom Borkenkäfer-Aktionstag bis zur Waldweihnacht. Der Naturerlebnispfad ist auch außerhalb der Öffnungszeiten zugänglich. Diese und weitere Informationen finden Sie auf der Themenseite "Walderlebniszentrum Tennenlohe" des Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Ansprechpartner
Name | Telefon | Telefax | Zimmer | |
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Dipl. Biol.
Marabini,
Johannes
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09193 20 1720 | 09193 20 491720 | 213 | johannes.marabini@erlangen-hoechstadt.de |